Saturday, April 14, 2018

Gefährliche Arglosigkeit

Es wird wohl für all jene ein traumatischer Schock mit Langzeitwirkung sein, die am belebten Hamburger Jungfernstieg miterleben mussten, wie ein 33-Jähriger aus dem Niger seine Tochter und frühere Lebenspartnerin am helllichten Tag geradezu abgestochen hat. Wie man heute Morgen im Radio hören konnte, brachen etliche Passanten in Tränen aus. Ein Krisendienst für seelsorgerische Betreuung wurde bestellt. Die Traumatisierung wird umso größer sein, je mehr sich die Beteiligten vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk und bekannten Printmedien eine Arglosigkeit bezüglich der Sicherheitslage einreden ließen und aufgrund ihres völligen Unvorbereitetseins noch zusätzlich psychisch überrumpelt wurden.

Bei Spiegel Online, wo man kaum eine Gelegenheit verpasste „besorgte Bürger“ an den unseriösen Pranger zu stellen, heißt es jetzt nach der Tat in Hamburg: „Das übersteigt jede vorstellbare Grausamkeit.“ Von Selbstreflexion weit entfernt stellt man lediglich auf die eigene begrenzte Vorstellungskraft und gewollte Desinformiertheit ab; unter Ausblendung aller grausamen Fakten, mit denen sich völlig zu Recht besorgte Bürger schon längst auseinandersetzen. Wer auf bis 2015 tatsächlich schwer vorstellbare Eventualitäten vorbereitet ist, wird vernünftigerweise wesentlich vorsichtiger agieren und womöglich einer Situation wie dieser am Wuppertaler Bahnhof entgehen können.

Das von Sicherheitsexperten beklagte „andere Rechts- und Gesellschaftsverständnis“ bahnt sich wegen der allgemein gepflegten Ignoranz landesweit seinen Weg. Wer sich aber weigert Gefahren zur Kenntnis zu nehmen, sollte von jeder verantwortlichen Tätigkeit – inklusive Erziehung eigener Kinder – entbunden werden. Dazu gehören jene Mitglieder des Berliner Senats, die laut FAZ nach dem Motto verfahren: „Gefährliche Plätze dürfen dort nicht mehr so heißen, weil ansonsten der Eindruck entsteht, gefährliche Plätze könnten tatsächlich gefährlich sein.“ FlensburgPreetz und Essen lassen grüßen.
https://www.luftwurzel.net/beitr%C3%A4ge-2018/infrastruktur/sicherheit/

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