Sunday, February 11, 2018

Rücktritt von Benedikt XVI: „Akt der extremen Distanzierung“

Warum trat Benedikt XVI. (2005-2013) vor fünf Jahren vom Papstamt zurück? Nach Einschätzung des Historikers Volker Reinhardt (63) war der Rücktritt „ein Akt der extremen Distanzierung von den Zuständen der Kirche“. Reinhardt, Historiker an der Universität Fribourg in der Schweiz, hat maßgebliche Bücher über die Päpste, die Kirche und Italien verfasst. Im Interview begründet er in Fribourg seine These.
Herr Professor Reinhardt, wie bewerten Sie als Historiker den Amtsverzicht Benedikts XVI. vor fünf Jahren?
Reinhardt: Das war eine echte Sensation. Einen wirklich freiwilligen Rücktritt hat es zuvor über sieben Jahrhunderte nicht gegeben. 1294 trat Coelestin V. zurück, nach nur einem halben Jahr im Amt. Die Nachricht schlug dann ja auch ein wie eine Bombe. Dass Könige und Königinnen zurücktreten, ist inzwischen ja üblich geworden, auch weil die Menschen immer älter werden. Aber der Rücktritt eines Papstes erschien wie ein Tabubruch, weil ihn viele nicht mit dem Amt assoziierten. Dabei ist ein solcher Rücktritt im Kirchenrecht durchaus vorgesehen ist, wenn er freiwillig vollzogen wird. Und natürlich ging dann sofort die Suche nach den Gründen los.
Was scheint Ihnen am plausibelsten?
Reinhardt: Die einzig sichere Quelle, die wir haben, ist seine Rücktrittserklärung vom 11. Februar: Er beruft sich da auf seine zunehmend körperliche und geistige Schwäche. Was seine geistige Schwäche betrifft: Das stimmt einfach nicht. Auch acht Jahre nach seinem Rücktritt ist er auf der Höhe seines Intellekts. Die körperliche Schwäche darf man eigentlich nicht als Grund für einen Rücktritt in Anspruch nehmen. Das hat Johannes Paul II. ja eindrucksvoll bewiesen, der schwer krank im Amt geblieben und schließlich auch als Papst gestorben ist.
Also?
Reinhardt: Ich glaube, dass er damit an den freiwilligen Rücktritt Coelestins V. anknüpft. Dieser Papst lebte zuvor jahrzehntelang als Einsiedler und war der Meinung, dass die Führung seines Amtes nicht mit seinem Seelenheil vereinbar war. Er wusste, dass er nicht der Global Player war, den es an der Stelle brauchte. Für mich ist auch der Rücktritt von Benedikt XVI. ein Akt der extremen Distanzierung von den Zuständen der Kirche – und ein Eingeständnis, dass er die Kirche nicht so führen kann, wie es nötig wäre.
http://neuesruhrwort.de/2018/02/11/ruecktritt-von-benedikt-xvi-akt-der-extremen-distanzierung/

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